2 THEMEN DES TAGES / POLITIK Habeck zieht Positives aus dem Viessmann-Deal Wirtschaft Der Wärmepumpen-Marktführer verkauft seine Klimasparte in die USA. Kritiker befürchten, dass immer mehr Wertschöpfung den Standort Deutschland verlässt. Leitartikel Guido Bohsem zum Verkauf der Viessmann-Klimasparte Karikatur: Martin Erl Wende leisten andere Viessmann, das ist eines dieser vielen deutschen Vorzeigeunternehmen, ein echter industrieller Champion. Es wird seit Generationen privat geführt und sieht sich als mittelständisches Familienunternehmen. Ob es sich dabei angesichts von 14 500 Mitarbeitern um eine angemessene Bezeichnung handelt, sei einmal dahingestellt. Der Heizungs- und Kühlgerätehersteller aus dem hessischen Allendorf (Eder) gehört jedenfalls zum erfolgreichen Wirtschaftsinventar der Bundesrepublik und reiht seit Jahren einen Rekordgewinn an den nächsten. Gerade deshalb verblüfft die Mitteilung, dass Viessmann sein Wärmepumpengeschäft an den US-amerikanischen Konzern Carrier verkaufen wird – für zwölf Milliarden Euro. Viessmann war nämlich eine der Firmen, die sich in den vergangenen Wochen und Monaten besonderer Aufmerksamkeit der Bundespolitik erfreuten, sollte das Unternehmen doch bei der Klimawende eine entscheidende Rolle spielen. Neben anderen Firmen sollte Viessmann die Wärmepumpen liefern, mit denen die Ampel- Koalition den Kohlendioxid-Ausstoß in privaten und öffentlichen Häusern deutlich reduzieren möchte. Vor dieser Herausforderung schreckt Viessmann zurück. Ja, es ist eine schlechte Nachricht, wenn ein deutsches Vorzeigeunternehmen eine von der Politik angefachte Nachfrage nicht stemmen kann, zumal nicht hierzulande. Weder kann Viessmann in Deutschland schnell genug die nötigen Produktionsstandorte aufbauen, noch würde das Unternehmen die notwendigen Mitarbeiter finden. Die hohen Energiekosten erschweren den Wettbewerb mit den wirklich Großen der Branche zusätzlich, zumal die Produktivität seit Jahren in Deutschland nur sehr langsam steigt. Kommentar Dominik Guggemos Zur Einstufung der „Jungen Alternative“ als rechtsextremistisch All das hat aber recht wenig mit der Klimapolitik der Bundesregierung zu tun. Diese ist lediglich der Auslöser für den Verkauf, weil die Fördermittel für die nächsten 20 Jahre glänzende Geschäfte garantieren. Das heißt nicht, dass nicht auch die Regierung Verantwortung trägt für den spektakulären Ausverkauf. Ihre Vorgaben setzen Viessmann unter Druck, weil mit den Gasheizungen ein großer Geschäftsbereich des Unternehmens quasi verboten werden soll. Mit dem Verkauf verschafft sich Viessmann notwendiges Kapital, um sich weitere Geschäftsfelder zu erschließen. Der angefachte Wettbewerb um die Wärmepumpen wird deren Preise sehr bald sinken lassen. Obwohl Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angekündigt hat, den Verkauf durch sein Ministerium prüfen zu lassen, sollte sich niemand Gedanken über einen Technologietransfer oder dergleichen machen. Viessmann stellt gute Wärmepumpen her, doch das kann Carrier auch. Die Amerikaner dürften sehr viel mehr am ausgezeichneten Vertriebsnetz interessiert sein, das sie ja durch den Verkauf ebenfalls übernehmen. Für den Kunden dürfte sich wenig ändern, eines aber sicher: Der angefachte Wettbewerb um die Wärmepumpen wird deren Preise sehr bald sinken lassen. Genauso wie sich viele Opel-Kunden beim Kauf eines neuen Wagens keine Gedanken darüber machen, dass dahinter ein französischer Konzern steckt, werden auch die Käufer von Viessmann-Wärmepumpen kein Problem damit haben, dass der Eigentümer in den USA sitzt. Richtig, aber wirkungslos Jugendorganisationen von Parteien sind unabhängig von ihrer politischen Couleur einen Tick radikaler als die Mutterpartei. Dass die „Junge Alternative“ (JA) der sehr weit rechts stehenden AfD vom Bundesverfassungsschutz (BfV) nach vier Jahren Beobachtung jetzt als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft wird, kommt weder überraschend noch lässt sich inhaltlich etwas daran aussetzen. Der JA fehlt ein etwas gemäßigterer Flügel, wie ihn die Mutterpartei lange hatte. Man sollte allerdings nicht den Fehler machen und die Wirkung der Einstufung überschätzen. Der Verfassungsschutz galt mal als scharfes Schwert im Kampf gegen die AfD, aber das war eher Wunschdenken ihrer Gegner. Innerhalb der Partei hat das BfV seinen Schrecken fast komplett verloren. Die Beamten, die Angst um ihre Bezüge und Pensionen haben, sind bereits ausgetreten – in der JA dürfte es schon wegen der Altersstruktur nur wenige geben. Unter Umständen fällt es Mitgliedern der AfD-Jugend jetzt etwas schwerer, legal Waffen zu kaufen. In einer eh schon paranoiden, sich aber gegenüber Rechtsextremismus gleichgültig verhaltenden Partei dürfte auch die drohende nachrichtendienstliche Überwachung kaum Auswirkungen auf interne Kommunikation haben. Verabschieden muss man sich von dem Gedanken, dass das Schmuddelimage, das mit der Einstufung des Bundesverfassungsschutzes einhergeht, für die aktiven Mitglieder irgendeine Rolle spielen würde. Der Mittel finger an alles, was zum Establishment gehört, ist Teil des Systems und des Gemeinschaftserlebnisses AfD. Zumindest in dieser Hinsicht dürfte die BfV-Einstufung sogar den Zusammenhalt stärken. Im Viessmann- Showroom im hessischen Allendorf: Ein Mitarbeiter betrachtet ein Wärmepumpensystem. Foto: Nadine Weigel/ dpa Berlin. Der deutsche Heizungsbauer und Wärmepumpen-Marktführer Viessmann hat seine Klimasparte an Carrier Global verkauft. Der US-Konkurrent will sich damit für den globalen Wettbewerb im Wärmesektor rüsten. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen neu eingebaute Heizungen ab 2024 zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Für viele Hausbesitzer läuft das auf den Einbau einer Wärmepumpe hinaus. Um das Wärmepumpen-Geschäft nicht der internationalen Konkurrenz zu überlassen, muss Viessmann massiv in den Ausbau der Produktionskapazitäten investieren und braucht dafür Kapital. Der Zeitpunkt des Verkaufs ist clever gewählt: „Die Möglichkeit, STICHWORT AFD-NACHWUCHS Berlin. Es ist sozusagen die Mutter aller Probleme bei der Bundeswehr – und das schon sehr lange: das Beschaffungswesen. Zu langsam, zu kompliziert, zu bürokratisch, so die Diagnose von Fachleuten, Opposition und Ministerium. „Die endlosen Beschaffungsprozesse für Großgerät und Ausrüstung sind seit vielen Jahren ein Thema.“ Dieser Satz aus dem aktuellen Bericht der Wehrbeauftragten hätte auch in dem Papier vom Vorjahr stehen können – oder dem vor fünf Jahren. Beispiele gibt es zuhauf: So dauert es über zehn Jahre, um einen – bei den US-Streitkräften seit den 90ern eingeführten – Fliegerhelm mit ballistischem Schutz zu besorgen. Acht Jahre wird an einem „Rucksacksystem 110 Liter“ geforscht, gekauft wird ein Modell aus Schweden. Seit 2016 wartet ein Biologielabor der Bundeswehr auf Geräte, die es im sortierten Fachhandel gibt. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), seit rund hundert Tagen im Amt, will nach dem Die „Junge Alternative“ propagiert laut Verfassungsschutz ein völkisches Gesellschaftskonzept. Verwiesen wird auf Agitation gegen Flüchtlinge und Migranten. Eine Vielzahl von Diffamierungen politischer Gegner und des Staates mache deutlich, dass es der Jugendorganisation der AfD um eine generelle Herabwürdigung des demokratischen Systems in Deutschland gehe. Die verfassungsfeindliche Haltung des „Instituts für Staatspolitik“ begründet das Bundesamt mit Äußerungen, die sich gegen die Menschenwürde richteten. Führungspersonen strebten ein „ethnokulturell möglichst homogenes Staatsvolk“ an. Zudem ließen sich „Verstöße gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip feststellen“. Der Verein „Ein Prozent“ propagiere Positionen, die rassistisch, migranten- und muslimfeindlich seien – und eine Zunahme verfassungsfeindlicher Äußerungen. dpa/epd einen Investor zu finden, der bereit ist, Höchstpreise zu zahlen, ist gerade jetzt sehr groß gewesen. Das galt es aus Unternehmenssicht auszunutzen“, sagt Gerald Linke, Chef des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches DVGW. Konkurrenz aus Asien Die politischen Weichenstellungen setzen die Branche unter Druck. 2022 wurden in Deutschland 236 000 Wärmepumpen verkauft, ab 2024 sollen es jährlich doppelt so viele sein. Die deutschen Hersteller bekommen vor allem aus Asien Konkurrenz. So würden asiatische Hersteller Wärmepumpen wettbewerbsfähiger produzieren, hätten mehr Kapazitäten und könnten durch ihr Umbau seiner Hausspitze nun auch dieses Problem angehen. Früher habe gegolten: „Viel Zeit, wenig Geld“, so der Minister. Angesichts von Ukraine-Krieg und Zeitenwende gelte umgekehrt: „Viel Sondervermögen und wenig Zeit.“ Deswegen „will, nein muss ich die Beschaffung beschleunigen“, sagte Pistorius am Mittwoch. Faktor Zeit maßgebend Nun ist der Sozialdemokrat nicht der erste Ressortchef, der Veränderungen in Aussicht stellt. Seine Vorgängerin Christine Lambrecht hatte sich vom Bundeswehrbeschaffungs-Beschleunigungsgesetz einen „Quantensprung“ versprochen und zudem angeordnet, dass mehr ohne aufwändige Ausschreibungen ermöglicht wurden. Durchschlagender Erfolg blieb aus. Pistorius spricht von „größeren Schritten“. Per interner Anordnung soll Tempo der entscheidende Maßstab sein. Der Faktor technisches Wissen zu Klimaanlagen Synergien in der Wertschöpfung realisieren, sagen Experten. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beurteilt das Geschäft dennoch positiv. Der Verkauf zeige, „dass Deutschland ein attraktiver Investitionsstandort ist“. Das Unternehmen habe die Stärkung der Produktionskapazitäten sowie eine Arbeitsplatzsicherung zugesagt. Im Rahmen der Investitionsprüfung werde man schauen, „ob das so eingehalten wird“ und die „Investitionen dem Standort Deutschland zugutekommen“. Der Vorstand der Stiftung Familien unternehmen und Politik, Rainer Kirchdörfer, sieht im Verkauf hingegen einen „Weckruf“ für Deutschland. Die USA böten Familienunternehmen wettbewerbsfähige Bedingungen, während die deutsche und europäische Politik diese Unternehmen immer stärker belasteten. „Viessmann zeigt, dass die gegenwärtige Politik immer mehr Wertschöpfung aus unserem Land vertreibt“, sagte Kirchdörfer. Das sieht das Beratungsunternehmen S&B Strategy anders. Bereits vor dem Verkauf der Wärmepumpen-Sparte sei zunehmend im Ausland investiert worden. So hätten Viessmann und Bosch Werke in Polen gebaut, Vaillant in der Slowakei. Dort gebe es schnellere Genehmigungen, geringere Lohnkosten sowie Energiepreise. dot/gwb/igs Leitartikel Acht Jahre für einen Rucksack Bundeswehr Verteidigungsminister Boris Pistorius will die Beschaffung von Ausrüstung beschleunigen. Junge Alternative Bestrebungen gegen Verfassung Berlin. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die Nachwuchsorganisation der AfD, die Junge Alternative (JA), als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Der Einstufung sei eine vierjährige Prüfung vorausgegangen, teilte der Verfassungsschutz mit. Zwei weitere Gruppierungen als rechtsextremistisch eingestuft: der Verein „Ein Prozent e.V.“ und das „Institut für Staatspolitik“. Diese verfolgten „verfassungsfeindliche Bestrebungen“. afp Stichwort und Kommentar Zeit sei für alle laufenden und neuen Rüstungsvorhaben der Bundeswehr maßgebend, heißt es in dem Erlass, der dieser Zeitung vorliegt. Außerdem werden die Inspekteure der Teilstreitkräfte wieder enger in die Entscheidungen eingebunden, soll grundsätzlich Material gekauft werden, das bereits am Markt verfügbar ist, soll weiter dereguliert werden und nicht alles auf Leitungsebene entschieden werden. Pistorius will so auch eine neue Kultur in seinem Haus fördern – eine, die nicht mehr wie bisher auf „Verantwortungsdiffusion“ setze. Pistorius steht unter Erfolgsdruck: Zuletzt häuften sich Pleiten beim Rüstungseinkauf. Die Beschaffung fehlender Munition ist mühsam, der Kauf von Einsatzbooten für das Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM) musste aufgrund überzogener Ansprüche gestoppt werden, die Kosten für drei Flottendienstboote drohen, sich um mehr als eine halbe Milliarde Euro zu erhöhen. Ellen Hasenkamp Ostsee Russische Flieger abgefangen Berlin. Kampfjets der deutschen und britischen Luftwaffe haben nach Bundeswehr-Angaben drei russische Aufklärungsflugzeuge im internationalen Luftraum über der Ostsee abgefangen. Demnach handelte es sich um zwei Militärmaschinen vom Typ SU-27 und eine IL-20. Sie seien „erneut ohne Transpondersignal“ geflogen und von Eurofightern der beiden Nato-Verbündeten abgefangen worden, teilte die deutsche Luftwaffe am Mittwochmorgen über Twitter mit. dpa
Donnerstag, 27. April 2023 3 Hintergrund In den Kreislauf wirtschaften Ist die Spülmaschine kaputt, wird schnell eine neue gekauft, obwohl die alte noch reparierbar wäre. Daher plant die EU ein Recht auf Reparatur. Zweifel am Recht auf Reparatur Nachhaltigkeit Reparieren statt wegwerfen: Die Idee leuchtet ein. Doch in der Praxis kann sich diese Initiative der EU-Kommission auch nachteilig auswirken. Von Michael Gabel Die Kaffeemaschine blinkt nur noch, der Geschirrspüler scheppert, statt gemütlich zu brummen – also weg damit und ein neues Gerät kaufen? Die bessere Lösung wäre sicher, erst mal zu schauen, ob da noch was zu reparieren ist. Doch Elektrogeräte wieder instand zu setzen ist oft nicht nur teuer, sondern bei manchen Produkten gar nicht so leicht möglich. Deshalb plant die EU ein Recht auf Reparatur und will Herstellern dazu klare Vorgaben machen. Was allerdings so einfach und einleuchtend klingt, kann für Kunden ein Problem sein. Und auch für die Umwelt. Klar ist zwar: In Deutschland werden viel zu viele Elektrogeräte weggeworfen. Weit mehr als eine Million Tonnen Elektroschrott landen Jahr für Jahr in den Sammelstellen – eine Verschwendung ohnegleichen, die in früheren Zeiten undenkbar gewesen wäre. Jahrzehntelang hieß es in Deutschland-West wie -Ost: Was kaputt ist, wird wieder repariert, entweder von einem selbst oder von einem Handwerker. Dieser Ansatz soll nach dem Willen der EU-Kommission nun eine Renaissance erleben – wobei es diesmal vor allem darum geht, durch Reparaturen den Verbrauch an Rohstoffen und Energie einzudämmen. Beschlossen ist das Recht auf Reparatur auf EU-Ebene allerdings noch nicht, das Parlament und die Mitgliedstaaten müssen noch zustimmen. Dann folgen jeweils nationale Gesetze. Inzwischen werden aber mehr und mehr die Mängel des Kommissionsvorschlags deutlich. Sie lassen daran zweifeln, ob der Grundgedanke „reparieren geht vor neu“ wirklich immer durchzuhalten ist. Beispiel Kühlschrank: Sicherlich wäre es gut, das alte, gebrauchte Gerät noch einmal flott zu bekommen. Aber was, wenn ein neues nur die Hälfte oder weniger Strom verbraucht als das 1990er-Jahre-Modell? „Pauschale Aussagen, ob eine Weiternutzung ökologisch dem Neukauf vorzuziehen ist, sind kaum möglich“, So machen es die anderen Länder in Europa Manche EU-Länder sind beim Fördern von Reparaturen schon einen Schritt weiter als Deutschland. In Frankreich gibt ein Reparaturfähigkeits-Index Auskunft darüber, wie leicht ein Produkt (zum Beispiel Waschmaschine, Smartphone, Laptop) instand zu setzen ist. Außerdem müssen Verbraucher dort beim Einkauf in vielen Fällen über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen informiert werden. Andere Länder wie Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Schweden und Portugal haben den Mehrwertsteuersatz für kleine Reparaturen von Elektrogeräten zum Teil deutlich heruntergesetzt. In Griechenland wiederum müssen Ersatzteile für die gesamte Lebensdauer vieler Produkte zur Verfügung gestellt werden. moniert Svenja Schwind von der Denkfabrik Centrum für europäische Politik. So könne sich „bei Kühl- und Gefriergeräten ein Neukauf schon nach fünf Jahren lohnen“, während „bei Waschmaschinen eine längere Nutzung aus umwelttechnischer Sicht meist vorteilhafter“ sei. Problematisch ist der Vorrang des Reparierens auch während der Garantiezeit. Derzeit gebe es ein Wahlrecht, „das es gestattet, innerhalb des Gewährleistungszeitraums zwischen einer Reparatur und dem Ersatz eines defekten Produktes zu wählen“, betont Schwind. Viele Kundinnen und Kunden würden das Neugerät bevorzugen. Werde der Plan aus Brüssel aber umgesetzt, könne aus dem „Recht auf Reparatur“ also schnell eine „Pflicht zur Reparatur“ werden – mit entsprechenden Nachteilen für Verbraucherinnen und Verbraucher. Probleme für Händler Auch für Unternehmen bringt das neue Gesetz manches Problem mit sich, weshalb auch von dort Kritik kommt. So warnt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag vor logistischen und finanziellen Belastungen, wenn man Ersatzteile länger vorhalten und Reparaturen binnen bestimmter Fristen durchführen müsse. Der verbraucherpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Ullrich, sieht deshalb noch „Klärungsbedarf mit den großen, international agierenden Herstellern und Händlern“, wie er dieser Zeitung sagt. Foto: Markus Scholz/dpa/dpa Es gibt aber auch eine Reihe weiterer Vorschläge, wie die Reparatur-Idee aus Brüssel sogar noch erweitert werden könnte. So fordern Verbraucherschützer, dass es – anders als bisher geplant – ein Reparaturrecht auch bei Toastern, Wasserkochern, Mikrowellen-Geräten, Backöfen und Unterhaltungselektronik geben soll. Der Verbraucherzentrale Bundesverband möchte darüber hinaus erreichen, dass Hersteller „transparente Angaben zur Lebensdauer von Produkten“ machen müssen. Was dem CSU-Politiker Ullrich am Vorschlag aus Brüssel fehlt, sind „Reparatur-Anreize via staatlicher Zuschüsse“. Ein solches staatliches Förderprogramm könne bundesweit Sinn ergeben, betont der Abgeordnete – „allerdings unter der zwingenden Voraussetzung, dass nur wirklich Bedürftige mit staatlichen Boni unterstützt werden“. In Thüringen habe man gute Erfahrungen mit einem solchen Reparatur-Bonus gemacht, betont man bei der dortigen Verbraucherzentrale. Thüringen ist das einzige Bundesland, das einen staatlichen Zuschuss zur Instandsetzung von Elektrogeräten anbietet. Dabei wird die Hälfte der Rechnungssumme übernommen, aber nur bis maximal 100 Euro pro Jahr und Person. Eine Ausnahme gibt es bei ehrenamtlichen Repair-Cafés, die keine Rechnungen ausstellen. Hier werden 50 Prozent der Ersatzteilkosten übernommen. Etwa 20 000 Reparaturen wurden so bisher teilfinanziert – für die Thüringer Verbraucherschützer „ein Modell für ganz Deutschland“. FOTO: BERND WÜSTNECK/DPA Kreislaufwirtschaft bedeutet vor allem: Abfälle werden auf ein Minimum reduziert. Dazu ist es nötig, Produkte wie Elektrogeräte, aber auch zum Beispiel Kleidung oder Plastikflaschen so lange wie möglich wiederzuverwenden, zu reparieren, aufzuarbeiten oder zu recyceln. Das von der EU geplante und von den Mitgliedsstaaten umzusetzende Recht auf Reparatur ist Teil dieser Strategie. Tim Seewöster ist ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, Elektrogeräte zu reparieren und zurück in den Verkehr zu bringen. Er ist Geschäftsführer von asgoodasnew (übersetzt: so gut wie neu), einem in Frankfurt (Oder) ansässigen Unternehmen. Dieses kauft und verkauft pro Jahr etwa eine halbe Million gebrauchte Geräte – vor allem Smartphones, aber auch Tablets, Laptops, Spiegelreflex-Kameras, Objektive und Spiele-Konsolen. Der Großteil wird professionell geprüft, datenbereinigt und gereinigt und optisch aufgearbeitet. Immerhin jedes zehnte Gerät müssen die Mitarbeiter aber auseinandernehmen und reparieren, bevor es wieder in den Verkauf kommt. Ist das ein Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft? Der Firmenchef ist davon überzeugt. Wenn er auch betont: „Eine echte, nahezu hundertprozentige Kreislaufwirtschaft ist ein schönes Ziel, das aber wenn überhaupt, dann erst in einem Jahrzehnt zu erreichen ist.“ Andere Experten sehen das ähnlich – gewisse Verluste, bei Reifen etwa der Abrieb, seien immer einzukalkulieren, heißt es. Weniger Abhängigkeit Wenn Ressourcen geschont werden, schützt das aber nicht nur die Umwelt. Es mindert auch die Abhängigkeit von anderen Staaten, aus denen die EU-Länder Rohstoffe beziehen – aus China und Russland beispielsweise. Das gelte „insbesondere für kritische Rohstoffe, die für die Verwendung von Technologien benötigt werden, die für die Verwirklichung der Klimaziele entscheidend sind, wie Batterien und Elektromotoren“, teilt die EU- Kommission mit. Zusätzlich könne der Übergang zu einer stärkeren kreislauforientierten Wirtschaft „Innovationen anregen, das Wirtschaftswachstum ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen “ – 700 000 Arbeitsplätze allein in der EU bis 2030, heißt es. Fazit: In einer Kreislaufwirtschaft erhalten „Verbraucher langlebigere Produkte, die die Lebensqualität steigern und langfristig Geld sparen“. Michael Gabel Lebensmitteltaugliches Reyzklat aus PET-Flaschen. ZAHL DES TAGES 12 Fackeln sind bei der zentralen Feier zum 75. Jahrestag der Unabhängigkeit Israels in Jerusalem entzündet worden. Sie symbolisieren die zwölf Stämme aus der Bibel. Bei einer Flugparade über weiten Teilen Israels war erstmals auch die deutsche Luftwaffe vertreten. Überschattet wurden die Feierlichkeiten allerdings vom anhaltenden Streit um die Justizreform. dpa Prozess Woelki setzt sich gegen „Bild“ durch Köln. Kardinal Rainer Maria Woelki hat in einem Rechtsstreit gegen den Axel-Springer-Verlag einen Erfolg erzielt. Das Landgericht Köln verbot in einem am Mittwoch verkündeten Urteil die Behauptung der „Bild“-Zeitung, der Erzbischof habe einen Priester befördert, obwohl er zwei belastende Dokumente gegen diesen gekannt habe. In dem Verfahren hatte die Pressekammer unter Vorsitz von Richter Dirk Eßer da Silva Ende März Woelki persönlich vernommen. kna Spanien empfängt Brasilien Pedro Sanchez, Ministerpräsident von Spanien, empfängt den brasiliansichen Präsidenten Lula da Silva (links) in Madrid. Es ist Lulas erste Europa-Reise nach seiner erneuten Wahl im Oktober 2022. Foto: Jesús Hellín/Europa Press/dpa G7-Gipfel Biden in Japan erwartet Washington. US-Präsident Joe Biden hat angekündigt, im Mai zum G7-Gipfel in Japan reisen zu wollen. Wie das Weiße Haus mitteilte, solle es bei dem Treffen in Hiroshima vom 19. bis 21. Mai unter anderem um den Krieg in der Ukraine, die globale Ernährungsund Klimakrise sowie „die Absicherung von inklusivem und widerstandsfähigem Wirtschaftswachstum“ gehen. Japans Premierminister hoffe, dass atomare Abrüstung ein zentraler Diskussionspunkt würde, sagte er. afp Digitalisierung FDP will Pflicht für Behörden Berlin. Die FDP will Behörden zur schnelleren Digitalisierung verpflichten. In dem neuen Onlinezugangsgesetz (OZG) sollen sie dazu verpflichtet werden, Verwaltungsdienstleistungen ab einem bestimmten Zeitpunkt digital anzubieten, wie aus einem Positionspapier der Bundestagsfraktion hervorgeht, das dem „Handelsblatt“ am Mittwoch vorlag. Wenn die Behörden sich nicht an die Fristen halten, sollen laut Positionspapier dem Bericht nach auch Strafen möglich sein. dpa
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