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Heidenheimer Zeitung, 22.07.2020

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4 POLITIK Mittwoch, 22.

4 POLITIK Mittwoch, 22. Juli 2020 Hass auf die „Eroberer“ Prozess Vor Gericht breitet der Attentäter von Halle seine rechtsextreme Weltsicht aus. Mit dem Angriff auf die Synagoge wollte er möglichst viele Juden töten, die er als Ursache allen Übels sieht. Von Andreas Förster Als mit zwei Stunden Verspätung endlich alle Zuhörer und Nebenkläger die überlastete Sicherheitsschleuse im Magdeburger Landgericht passiert haben und im Saal sitzen, schließen sich kurz vor 12 Uhr mittags die Türen. Justizbeamte in Kampfmontur und Sturmhauben marschieren auf. Alle Zuhörer und Anwälte warten auf den Angeklagten Stephan B., der am 9. Oktober 2019 einen Anschlag auf die Synagoge in Halle/Saale verüben wollte und zwei Menschen tötete, und dem nun hier, im größten Gerichtssaal Sachsen-Anhalts, der Prozess gemacht werden soll. Wie sieht dieser Mann aus, fragen sich alle. Und dann kommt er endlich, an Händen und Füßen gefesselt wird er in den Saal geführt. Zwischen den hochgewachsenen Beamten sieht man den schmächtigen B. kaum. Er ist ein mittelgroßer junger Mann mit kahlgeschorenem Kopf und schmalen Schultern. Ein unauffälliger Typ, niemand, der Gefahr, Hass und Mordlust ausströmt. Aber im Laufe des ersten Verhandlungstages wandelt sich dieser Eindruck schnell. Nicht allein wegen der Anklage der Bundesanwaltschaft, in der quälend detailliert beschrieben wird, wie der Angeklagte vor einem Dreivierteljahr die 40-jährige Jana Lange und den 20-jährigen Kevin Schwarze tötete. Wie er immer wieder auf die Frau und den Mann schoss, als diese schon sterbend am Boden lagen. Wie er mit Sprengstoff und Molotow-Cocktails versuchte, die zugesperrte Tür zur Synagoge in die Luft zu sprengen, um so viele Juden wie möglich zu erschießen, die darin Jom Kippur feierten. Das alles ist schon schwer erträglich für die Zuhörer und die rund 40 Nebenkläger, die Zeugen des Geschehens waren oder Hinterbliebene der Opfer sind. Dann beginnt Stephan B. zu sprechen, über seine Motivation für den Anschlag, über seine Vorbereitungen, über seine Morde. Darüber, dass er zur Rettung des „weißen Europas“ zur Tat geschritten sei, sich als „weißer Krieger“ zur Berlin. Katja Kipping hat einen neuen Anlauf für eine Debatte über die Vier-Tage-Woche gestartet. Im Interview mit der „Rheinischen Post“ warb die Linkspartei-Chefin für ein neues Kurzarbeitergeld als Anschubfinanzierung für die flächendeckende Vier-Tage-Arbeitswoche. Ein Jahr lang sollten demnach Unternehmen, die die Arbeitszeit entsprechend verkürzen, einen Lohnzuschuss bekommen. Danach brauche es einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung über eine Vier-Tage-Woche oder eine Höchstarbeitszeit von Justizbeamte in Kampfmontur sichern den Prozessauftakt gegen Stephan B., der einen Anschlag auf die Synagoge in Halle an der Saale verübte. Zwei Menschen kamen dabei ums Leben. Foto: Hendrik Schmidt /Pool/afp Wehr setzen wollte gegen „Neger“ und Muslime, gegen die „Eroberer“, die seit 2015 in das Land gelassen werden, gegen die Juden, die „nicht das Symptom sind, sondern die Ursache“, wie er sagt. Immer wieder lacht er auf, winkt ab, wenn die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens nachfragt, ihn auffordert, seine Ansichten zu begründen. Parolenartige Sätze Der 28-Jährige spricht schnell und abgehackt, ganze Sätze sind die Ausnahme. Nicht immer ist er gut zu verstehen, er nuschelt, seine hohe Stimme verschluckt Endungen und Wörter. Argumentieren, einen Gedanken ausführen, begründen, das gelingt ihm nicht. Mitunter spuckt er geradezu kurze, parolenartige Sätze aus. Es ist die Sprache, die man aus Internetchats kennt. Aus Stephan B.s Welt also. „Was sind denn Ihre Interessen?“, fragt die Richterin den Angeklagten. „Internet“, sagt B. und lacht. Zu seiner Familie will B. anfangs nichts sagen, „unwichtig“ Unter Anklage Der 28-jährige Stephan B. versuchte am 9. Oktober 2019, in die Hallenser Synagoge einzudringen. Als ihm das nicht gelang, erschoss er zwei Menschen. Die 123-seitige Anklageschrift wirft B. unter anderem Mord in zwei Fällen und neunfachen versuchten Mord vor. Davon seien 68 Menschen betroffen – der Anschlag auf die Synagoge wird als ein Mordversuch gewertet. Bis Mitte Oktober sind zunächst 18 Verhandlungstage geplant. 30 Stunden ohne weitere staatliche Co-Finanzierung. Kipping stößt damit in eine Debatte, die schon länger köchelt. Erst Ende Mai hatte die SPD in Schleswig-Holstein einen ähnlichen Vorschlag beschlossen. „Die Produktivität steigt und mit ihr die Belastung der Menschen. Wir sind deshalb der Meinung, dass 30 Stunden Arbeit in der Woche genug sind“, hieß es in dem Antrag. Die Nord-SPD strebt die 30-Stunden-Woche bei vollem Personal- und Lohnausgleich an. SPD-Landes- und Vize-Bundesvorsitzende Serpil Midyatli betonte damals, man wolle den Wandel der Arbeitswelt nutzen, um Fortschritte bei den Arbeitsbedingungen zu erreichen. Problem bei Niedriglöhnen Skepsis über Kippings Vorschlag kam am Dienstag unter anderem von den CDU-Arbeitnehmern. CDA-Chef Karl-Josef Laumann verwies darauf, dass dank Rückkehrrecht in Vollzeit eine Vier-Tage-Woche schon heute möglich ist. Er sieht das Problem woanders. „Wir haben auch 4,1 Millionen Beschäftigte im Niedriglohnsektor, die können bei einer Fünf- sei das für seine Tat, sagt er. Doch die Richterin bohrt nach, entlockt ihm ein paar Details zu seinem Leben. Dem Aufwachsen als Scheidungskind, dem Studium, seiner schweren Erkrankung, die ihn aus der Bahn warf und nach der er erst wieder laufen lernen musste. Wie denn seine Pläne gewesen seien nach seiner Genesung, will die Richterin wissen. B. lacht. „Ich hatte keine mehr“, sagt er. Und dann zieht er wieder über Deutschland her, in dem man nicht frei reden könne und mit dem er seit 2015 nichts mehr zu tun haben wolle, wie er sagt. „Seit Jahrhunderten ist es üblich, dass sich ein Land gegen seine Feinde zur Wehr setzt. Aber seit 2015 werden die Feinde einfach ins Land geholt“, sagt er. Was sei ihm denn passiert, fragt die Richterin Kipping stößt Debatte über Vier-Tage-Woche an Arbeitszeiten Als Anschubfinanzierung schwebt der Linken-Chefin ein neues Kurzarbeitergeld vor. bis Sechs-Tage-Woche gerade so von ihrem Geld leben. Ich denke, da müssen wir ran!“, sagte er dieser Zeitung. „Wir brauchen mehr und bessere Tarifverträge. Und ob die Menschen dann lieber mehr Geld in der Tasche haben oder einen Tag mehr frei in der Woche, das sollen sie selbst entscheiden.“ Auf einen anderen Punkt hatte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schon im Januar hingewiesen. „Nach allem, was wir wissen, geht uns die Arbeit nicht aus“, sagte er damals. Kipping hob hingegen die Vorteile der Arbeitszeitverkürzung nach. Zwei Tage vor dem Anschlag sei er mit dem Zug nach Halle gefahren, da hätten ihn drei Schwarze im Zug abgedrängt, erzählt er. „Die benehmen sich wie die Eroberer, die sie sind“, sagt er. Hat er also Angst vor den Ausländern? „Das verängstigt mich nicht, das macht mich wütend“, antwortet B. Vor allem auf die Juden, denn die wollten das weiße Europa abschaffen, schiebt er noch nach. Aus seinen Worten spricht das geistige Niveau des narzisstisch gekränkten weißen Mannes, der auf den einschlägigen Internetforen Gewaltphantasien austauscht und seinen diffusen Hass auf Minderheiten, Ausländer und Frauen auslebt. Dabei ist der Angeklagte kein Geistesgestörter. Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigt ihm volle Schuldfähigkeit. hervor: „Die Vier-Tage-Woche macht Beschäftigte glücklicher, gesünder und produktiver“, sagte sie. „Gerade jetzt in der Corona-Krise wäre ein guter Zeitpunkt, um damit anzufangen.“ Auch die Unternehmen profitierten von einer solchen Regelung. Zudem könne eine Vier-Tage-Woche für mehr Gleichberechtigung sorgen, weil sich Paare seltener entscheiden müssten, wer für die Kinder kürzer trete, erklärte Kipping. Ähnlich hatte zuvor auch die bekannte Soziologin Jutta Allmendinger argumentiert. Mathias Puddig (mit dpa) FOTO: KIRSTY O‘CONNOR/PA WIRE/DPA Russische Gefahr ignoriert Einflussnahme Ein Untersuchungsbericht macht der britischen Regierung schwere Vorwürfe. London. Die erste Feststellung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses in London überraschte niemanden: „Großbritannien ist ein Hauptziel für russische Einflussversuche im Westen.“ Doch was dann folgte, war für die Zuhörer ein Hammer. Die britische Regierung hätte nichts unternommen, um gegen versuchte Wahlmanipulation und Spionage vorzugehen. Man hätte meinen können, dass für die Mitglieder dieses Gremiums die Feinde der britischen Demokratie nicht nur in Moskau, sondern in den eigenen Reihen stehen. Gleich sechs mal bezeichnete ein Ausschussmitglied die Argumente der Regierung, warum der Bericht erst neun Monate nach seiner Fertigstellung veröffentlicht werden konnte, als „Unwahrheit“. Fest steht, dass Premier Boris Johnson die Publikation nicht vor den Wahlen im Dezember erlaubt hat und mit allen Tricks danach weiter verzögerte. Nun aber hatte sich das Gremium geweigert, den Johnson nahestehenden Abgeordneten Dominic Grayling als neuen Vorsitzenden zu wählen und stattdessen für Julian Lewis gestimmt. Als Strafe dafür, dass er diesen Posten angenommen Die russische Botschaft in London: Die diplomatischen Beziehungen zu den Briten verhärten sich. hatte, wurde Lewis prompt aus der konservativen Partei ausgestoßen. Lewis rächte sich dafür nun wohl mit der raschen Veröffentlichung des Reports. Zwar sind die heikelsten Teile davon nicht für die Öffentlichkeit zugänglich, aber was bekannt gegeben wurde, ist für Johnson ein neues Fiasko. Der Regierung und den Geheimdiensten wurde vorgeworfen, alle Alarmzeichen für russische Angriffe auf die britische Demokratie ignoriert zu haben. Britische Regierungen hätten Oligarchen aus Russland „mit offenen Armen“ empfangen. Der Kreml reagierte harsch. „Russland hat sich nie in irgendeinen Wahlprozess eines anderes Landes der Welt eingemischt - weder in den USA noch in Großbritannien“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Der britische Außenminister Domnic Raab sagte, das London die Aktionen der russischen Geheimdienste mit aller Schärfe erwidern würde. Hendrik Bebber Fall Wirecard Kanzleramt im August informiert Berlin. Das Bundesfinanzministerium hat laut „Spiegel“ das Kanzleramt vor einer China-Reise von Kanzlerin Angela Merkel zum Fall Wirecard informiert. Am 23. August 2019 habe das Ministerium auf Anfrage des Kanzleramts „per E-Mail verschiedene Informationen zum Fall Wirecard weitergegeben“, wird das Ministerium zitiert. Es habe das Kanzleramt „auf Arbeitsebene auf – im Übrigen öffentlich bekannte – Vorwürfe gegen das Unternehmen Wirecard hingewiesen.“ dpa US-Wahlkampf Einmischung befürchtet Washington. Ranghohe US-Demokraten haben sich „zutiefst besorgt“ über eine mögliche Desinformationskampagne des Auslands zur Beeinflussung der Präsidentschaftswahl gezeigt und dringend Informationen der US-Ermittler dazu gefordert. In einem Schreiben an das FBI sprachen die Unterzeichner, darunter die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, von ernsten und konkreten Gefahren für die bevorstehenden Wahlen. dpa Beuth sagt zu Drohmails aus Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) hat zur Drohmail-Serie „NSU 2.0“ im Innenausschuss des Landtags ausgesagt. Es habe 69 Mails an 27 Personen und Institutionen in acht Bundesländern gegeben. Foto: Arne Dedert / Pool/afp Deutsche in Bagdad entführt Bagdad/Berlin. Unbekannte haben in der irakischen Hauptstadt Bagdad die deutsche Kuratorin und Kulturvermittlerin Hella Mewis entführt. Sicherheitskräfte suchten nach der Frau, sagte ein Sprecher des irakischen Innenministeriums. „Wir wissen nicht, wer sie entführt hat“, sagte ihre Freundin, die Aktivistin Sirka Sarsam von der Nichtregierungsorganisation Burj Babel. Derzeit würden Aufzeichnungen von Überwachungskameras untersucht. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes teilte mit, dass sich die Bundesregierung „grundsätzlich nicht zu Entführungsfällen oder Geiselnahmen Deutscher im Ausland“ äußere. Bewaffnete Männer hatten Mewis laut Aktivisten am Montagabend gegen 20 Uhr (Ortszeit) im zentral gelegenen Stadtteil Abu Nawas in ihre Gewalt gebracht. Das schrieb Ali al-Bajati, Mitglied der vom Parlament gewählten Menschenrechtskommission, bei Twitter. Hella Mewis wurde in Berlin geboren und lebt seit mehreren Jahren in Bagdad. Bait Tarkib – zu übersetzen etwa als „Haus der Installation“ – wurde 2015 gegründet und will die Arbeit junger irakischer Künstler fördern. dpa

5 SÜDWESTUMSCHAU Mittwoch, 22. Juli 2020 Milliarden-Paket für Kommunen Pandemie Land stützt Städte und Gemeinden in der Krise mit 2,88 Milliarden Euro, dafür sind weitere Schulden notwendig. Expo-Bauarbeiten in Dubai: Baden-Württemberg will sich dort in einem eigenen Pavillon präsentieren. Expo-Pavillon wird teurer Ausstellung Trotz Mehrkosten will CDU-Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut an Plänen festhalten. Grüne fordern strenges Kostenmanagement. Von Roland Muschel Trotz einer deutlichen Kostensteigerung und neuer rechtlicher Probleme will Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) an den Plänen für einen eigenen Baden-Württemberg-Pavillon auf der nächsten Expo in Dubai festhalten. „Ein Ereignis in diese Dimension findet nur alle paar Jahre statt. 192 Länder haben ihre Teilnahme bestätigt. Erstmals besteht hier die Möglichkeit, Baden-Württemberg mit einem eigenen Pavillon zu platzieren“, heißt es in einem Kabinettsentwurf der Ministerin, der dieser Zeitung vorliegt. Die Vorteile überwögen die Nachteile bei Weitem. Sollte sich das Land für einen Projektabbruch entscheiden, würden sich die Kosten derzeit im ungünstigsten Fall auf rund 5,5 Millionen Euro summieren, zudem drohe eine erheblicher „Reputationsschaden“. Laut der Vorlage geht das Ministerium davon aus, dass die Kosten für das Projekt um 3,8 Millionen Euro auf 15 Millionen Euro steigen. Als Gründe werden die Corona-bedingte Verschiebung der Expo um ein Jahr auf Herbst 2021 sowie Mehrkosten infolge veränderter steuerrechtlicher Aspekte genannt. Dagegen stehen Zusagen über Sponsorengelder in Höhe von zwei Millionen Euro. Dabei hatte das lange als „Projekt von der Wirtschaft für die Wirtschaft“ angepriesene Vorhaben ursprünglich komplett über Sponsorengelder finanziert werden sollen. Doch die Firmen hielten sich schon vor Ausbruch der Pandemie zurück. Die von der Ingenieurkammer Baden-Württemberg, dem Stuttgarter Fraunhofer Institut und der Messe Freiburg getragene Projektgesellschaft Expo 2020 Dubai GmbH hatte deshalb beim Land angeklopft. Die Koalition in Stuttgart erklärte sich im September 2019 bereit, notfalls mit drei Millionen Euro einzuspringen. Im November erhöhte Grün-Schwarz die Summe auf neun Millionen Euro. Inzwischen jedoch findet sich das Land ungewollt in der Rolle des Vertragspartners der Expo-Macher in Dubai wieder. In dieser Funktion war eigentlich die Projektgesellschaft Expo 2020 GmbH gesehen worden. Schuld an der neuen Lage sind laut einem Gutachten dubiose Vertragsdetails, die Hoffmeister-Kraut mit „Fehleinschätzungen“ innerhalb ihres Hauses erklärt hat: Das Ressort hatte einem Außenstehenden eine Vollmacht erteilt, die dessen Unterschrift aus Sicht Dubais zu einer des Landes machte. Der SPD-Wirtschaftsexperte Daniel Born hat Akteneinsicht beantragt, um zu klären, wer hier was verbockt hat: „Im Ergebnis wurde für das Land ein Vertrag abgeschlossen, wie er nie vorgesehen war.“ Das hat Folgen für das Land und das Projekt. Ersteres trägt als Vertragspartner der Expo-Macher „sämtliche Haftungsrisiken“, wie die Ministerin in einer Antwort auf einen Fragenkatalog der Grünen einräumt. Die veränderte Ausgangslage wiederum führt zu weiteren Problemen, wie ein weiteres Gutachten ergeben hat: Danach muss das Land die Beauftragung einer Projektgesellschaft mit Bau und Betrieb des Baden-Württemberg-Pavillons europaweit ausschreiben. Die existierende Baden-Württemberg Dubai 2020 GmbH kann ebenfalls ein Angebot abgeben, kommt aber nicht zwangsläufig zum Zuge. Akteneinsicht für den Wirtschaftsausschuss Die Weltausstellung Expo 2020 Dubai wird aufgrund der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben: Sie beginnt nun am 1. Oktober 2021 und soll Ende März 2022 enden. 192 Nationen wollen teilnehmen. Baden-Württemberg In der Kritik: Ministerin Nicole Hoffmeister - Kraut (CDU). Foto: dpa wäre die einzige Region mit einem eigenen Ausstellungs-Pavillon. Kostenentwicklung und rechtliche Probleme führen zunehmend zu Kritik, die härteste äußert SPD-Fraktionschef Andreas Stoch, der Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) „völliges Politikversagen“ vorhält. Die müht sich um Transparenz und bietet den Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses nun Akteneinsicht an. Foto: Giuseppe Cacace/afp Was das für deren bereits geschlossene Verträge mit einem Schweizer Bauunternehmen und einem Stuttgarter Planungsbüro heißt, ist unklar. Das Wirtschaftsministerium hofft, diese „inhaltsgleich auf einen neuen Projektführer“ übertragen zu können. Diesen Optimismus teilen nicht alle. Während Hoffmeister-Kraut bei einem Projektabbruch einen „Reputationschaden“ befürchtet, ist dieser aus Sicht der Opposition längst eingetreten – verursacht durch die Ministerin selbst. „Durch das miserable Management der Wirtschaftsministerin wird die Expo immer mehr zu einem unkalkulierbaren Risiko für das Land und den Landeshaushalt“, schimpft SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. „Mit uns wird es eine weitere Erhöhung des Landeszuschusses nicht geben“, will nun auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke die Reißleine ziehen. Selbst der Koalitionspartner geht auf Distanz zur CDU-Ministerin. „Wir brauchen ein strenges Kostenmanagement“, forderte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz am Dienstag nach einer Debatte über das Projekt im Koalitionsausschuss. Die politische Verantwortung für das Gelingen trage die Wirtschaftsministerin. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zeigt bislang keine Ambitionen, das Thema im Kabinett einer Entscheidung zuzuführen. „Deutlichen Gesprächsbedarf“ im Wirtschaftsausschuss meldet derweil dessen Vorsitzender Erik Schweickert (FDP) an. Stuttgart. Das Land greift seinen Städten und Gemeinden in der Corona-Krise mit 2,88 Milliarden Euro unter die Arme. Darauf haben sich die Spitzen von Grün- Schwarz in einer Sitzung der Haushaltskommission der Koalition verständigt. Zuvor hatten Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) und der für die Kommunen zuständige Innenminister Thomas Strobl (CDU) in einer Sitzung mit den Spitzen von Städte-, Gemeinde- und Landkreistag die Details ausgehandelt. In der aktuellen Situation müssten die Kommunen „schnell in die Lage versetzt werden, als Konjunkturmotor zu wirken“, sagte Strobl. „Das gelingt mit diesem großzügigen Paket des Landes – und das kommt den Kommunen zugute, vor allem aber kommt es der lokalen, regionalen Wirtschaft, dem Mittelstand, den Handwerkern und Familienbetrieben zugute.“ Das Land werde hierfür die notwendigen Kredite aufnehmen, kündigte Sitzmann an. Gewerbesteuer Mit 1,04 Milliarden Euro entfällt der größte Einzelposten auf den hälftigen Anteil des Landes beim Ausgleich der Steuerausfälle der Kommunen. Die andere Hälfte übernimmt der Bund. Um die Kommunen bei den Schlüsselzuweisungen auf Vorjahres- und damit auf Vor-Corona-Niveau zu finanzieren, macht das Land weitere 1,016 Milliarden Euro locker. Zur Stützung der kommunalen Krankenhäuser steuert Grün-Schwarz 130 Millionen Euro bei, für die Gesundheitsämter fließen 17 Millionen Euro. Damit rüste man sich für eine mögliche zweite Corona-Welle, sagte Landkreistagspräsident Joachim Walter. Pandemiekosten Mit 47 Millionen Euro unterstützt das Land die Kommunen bei unmittelbaren Kosten wie Aufwendungen für Schutzmaterial. Ebenfalls neu: Zusätzlich zu den bisherigen Soforthilfen erhalten Städte und Gemeinden als Ausgleich für die wegfallenden Kita-Elternbeiträge weitere 50 Millionen Euro, wobei 6,7 Millionen Euro von diesem Posten für die Volkshochschulen reserviert sind. ÖPNV Zur Stützung des öffentlichen Nahverkehrs hat die Koalition bereits 237 Millionen Euro bereitgestellt, an die Kommunen sind zudem schon 343 Millionen Euro an Corona-Hilfen, etwa für Familien, geflossen. Diese beide Posten sind im Paket mit einberechnet. Das Staatsministerium zählt sogar noch Bundesmittel für die Südwest-Kommunen in Höhe von 1,39 Milliarden Euro dazu und kommt damit auf ein Gesamtvolumen von 4,27 Milliarden Euro. Der Städtetag hatte kürzlich angegeben, den Südwest-Kommunen würden aufgrund der Pandemie bereits jetzt 4,6 Milliarden Euro fehlen. Mit den Mitteln von Bund und Land kann dieses Loch nun zum großen Teil, aber nicht ganz gestopft werden; zumal nicht klar ist, ob die Ausfälle im Laufe des Jahres nicht noch erheblich anwachsen. Auf der anderen Seite hatte Finanzministerin Sitzmann darauf verwiesen, dass die durch die Pandemie bedingten Steuerausfälle das Land härter treffen würden als die Kommunen, die Regierung also nicht alle Ausfälle der Städte und Gemeinden ausgleichen könne. Deren Verbände äußerten sich gleichwohl zufrieden. „Im Ergebnis kommen wir so zu einer fairen und gerechten Lastenver teilung zwischen Bund, Land und Kommunen“, sagte Städtetags-Präsident Peter Kurz. Die in den meisten Kommunen befürchteten Haushaltssperren könnten nun abgewendet werden, sagte Gemeindetagspräsident Roger Kehle. Roland Muschel Kretschmann greift in Bauers Ressort ein Gentechnik Ministerpräsident reagiert auf Streit bei Grünen. Wissenschaftsministerin muss Forschungsvorhaben auf Eis legen. Stuttgart. Wegen eines Streits bei den Grünen um den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft stoppt Ministerpräsident Winfried Kretschmann ein Forschungsprogramm von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (beide Grüne). Forschung sei nötig, um die Chancen und Risiken neuer Verfahren kennenzulernen, sagte er. Er verstehe aber auch die Bedenken aus seiner Fraktion. Diesen Konflikt könne man nicht so schnell lösen. „Ich habe deshalb mit der Ministerin besprochen, dass sie dieses Forschungsvorhaben auf Eis legt.“ Es handle sich um eine diffzile Angelegenheit. Das Thema stehe auch bei den kommenden Grünen-Parteitagen zur Debatte. Die „Stuttgarter Zeitung“ hatte zunächst über den Streit berichtet. Bauer wollte laut Zeitung mit dem mit fünf Millionen Euro dotierten Forschungsprogramm Versuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen fördern. dpa Schulen Grün-Schwarz verbietet Burkas Stuttgart. Die grün-schwarze Landesregierung verbietet Vollverschleierung an Schulen. Der Ministerrat habe am Dienstag beschlossen, dass es für Schüler nicht mehr erlaubt sei, mit Ganzkörperverhüllung in die Schule zu gehen, bestätigte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in Stuttgart. Für Lehrer gelte das ohnehin bereits. Auch wenn solche Fälle nicht zu erwarten seien, brauche es selbst für seltene Einzelfälle eine gesetzliche Regelung. dpa Schulpolitik SPD kritisiert Eisenmann scharf Stuttgart. Die SPD wirft Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) Versagen vor. Ihre Bildungspolitik sei derzeit ein „mittleres Desaster“, sagte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Fulst-Blei. Sie habe die Digitalisierung nicht vorangebracht, das Nachhilfeprogramm in den Sommerferien greife zu kurz und sie habe die Schulpflicht „faktisch abgeschafft“, da auch künftig ein Anruf reiche, damit ein Kind daheim bleiben könne. dpa Bunte Obstauswahl Im Moment bieten die Wochenmärkte eine herrliche Auswahl an regionalem Obst. Das zeigt auch dieser Blick von oben auf einen Stand auf dem Freiburger Münsterplatz. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa LANDESKÖPFE Binder verzichtet, um Streit zu beenden Der SWR-Rundfunkrat wird alle fünf Jahre neu zusammengesetzt, acht Vertreter darf der Landtag benennen. Die Stellen müssen laut Staatsvertrag allerdings paritätisch mit Männern und Frauen besetzt werden. Während Grüne (drei Vertreter) und CDU (zwei Vertreter) mit ihren Vorschlägen dieses Ziel bereits erfüllen, wollten SPD, FDP und AfD lange jeweils einen männlichen Vertreter entsenden. Das sorgte für Streit, und mit der Blockadehaltung riskierten die kleinen Fraktionen, dass der Rundfunkrat ohne Vertreter aus dem Landtag tagt. Wie die „Stuttgarter Zeitung“ berichtet, zog nun der medienpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sascha Binder, zugunsten einer Kollegin zurück. Damit stünden vier Männer und vier Frauen zur Wahl. Die Diskussion schade der SPD, schrieb Binder in einem Brief an seine Fraktionskollegen. Am Mittwoch soll die Entscheidung fallen. Am Donnerstag soll das Parlament dann die Vertreter wählen. Der Rundfunkrat überwacht die Einhaltung der Programmgrundsätze. dpa

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