2 THEMEN DES TAGES /POLITIK Wenn einesnichtzum anderen passt Nato Viel istbeimGipfel desBündnisses wieder vom Zwei-Prozent-Zieldie Rede.Aber die Partnerder Allianz müssen beim Rüstungseinkauf nochandereDingebeachten. Kein Neid. Leitartikel StefanKegel zum Nato-Gipfel Neue Unsicherheit Europa hat keine Ahnung, was inden nächsten zehn Jahren auf den Kontinent zukommt. Noch nie seit etlichen Jahrzehnten war die Zukunft so unvorhersehbar wie jetzt. Das hinterlässt seine Spuren nicht nur in der EU, sondern auch in der Nato, die in Washington gerade mit großer Geste ihren 75. Jahrestag feiert. Im Kalten Krieg wussten beide Seiten –die Staaten der Nato und die des Warschauer Vertrags –in den Grundzügen, wie man die Gegenseite einzuschätzen hatte. Auch die Sowjetunion war nach der Sicherung ihrer Einflusszone damit zufrieden, mittels der gegenseitigen atomaren Abschreckung den Status quo im geteilten Europa zuerhalten. Geriet dieser inGefahr, wie in Ungarn, der Tschechoslowakei oder der DDR, setzte sie ihre Oberherrschaft mit Waffengewalt durch. Auf der anderen Seite sorgten auch die USA mit verdeckten Operationen ihrer Geheimdienste vor allem in Lateinamerika dafür, dass Länder wie Chile sich nicht dem sozialistischen Block zuwandten. Nun hat die Nato mit Russland ihren Gegner wieder, aber dessen Protagonist Wladimir Putin ist weitaus weniger berechenbar –und mit dem gegenwärtigen Status quo schon gar nicht zufrieden. Das stellt die Allianz vor Herausforderungen, auf die sie erkennbar unterschiedliche Antworten gibt. Man sieht es daran, dass Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, mit dem Aushängeschild der halbjährlichen EU-Ratspräsidentschaft seines Landes imRücken, in der Welt umherreist. Erst indie Ukraine, dann nach Russland und nach China, bevor erbeim Nato-Gipfel auftauchte. Ein Verhandlungsmandat für den Ukraine-Konflikt hatte er dabei nicht. Die EU-Spitzen waren wegen dieser Eigenmächtigkeit auf Kommentar Hajo Zenker zu den Kosten der Pflege Reform istnötig Die Finanznot in der Pflege ist groß –ganz generell, aber konkret auch für die Heimbewohner. Ihre Eigenanteile steigen und steigen. Und das, obwohl die Politik den Anstieg jenach Aufenthaltsdauer bereits gebremst hat. Diese Kostendämpfung hat die Pflegekassen im vergangenen Jahr 4,5 Milliarden Euro gekostet –und trotzdem ging es für die Betroffenen bei den Eigenanteilen deutlich nach oben. Steigende Sachkosten und höhere Löhne machen sich da bemerkbar. Gleichzeitig steht den gesetzlichen Pflegekassen finanziell das Wasser bis zum Hals, die Verluste werden immer größer. Die Mitte 2023 erfolgte Beitragsanhebung hat nur kurzfristig für Entlastung gesorgt, die nächste Erhöhung dürfte vor der Tür stehen. Klar ist: So kann es nicht weitergehen. Doch die Ampel hat das selbst gesteckte Ziel verfehlt, bis Ende Mai Karikatur: HeikoSakurai Aufdem Höhepunkt des Kalten Krieges gabdie Bundesrepublik fast fünf Prozent für Verteidigung aus. den Barrikaden. Der Nato hatte er vorher immerhin Bescheid gegeben. Unabhängig davon, wie man diese Volte bewertet, erfordern die neuen Zeiten auch für Deutschland neue Wege, mit den Herausforderungen umzugehen. Nicht nur der umtriebige Orbán könnte dem Bündnis Kontakte in beide Richtungen offenhalten. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz, der im Europawahlkampf mit dem Schlagwort „Frieden“ geworben hatte, hält sich erkennbar für eine Nachkriegsordnung bereit. Gleichzeitig klopft er sich selbst dafür auf die Schulter, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben – während sich europaweit Stimmen mehren, die eher drei Prozent für notwendig halten, umeine starke Statur der westlichen Allianz zusichern. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges Mitte der 1960er Jahre gab die Bundesrepublik fast fünf Prozent für Verteidigung aus. Politisch ist solch eine Zahl heutzutage schwer durchzusetzen. Gleichwohl werden Deutschland und Europa –egal, wer die US-Präsidentschaftswahl im November gewinnt – für ihre eigenen Belange mehr selbst sorgen müssen. Im Falle Trumps, der Politik als Geschäft versteht, könnten erhöhte Verteidigungsetats der Europäer durchaus als Deal wirken und seine Bereitschaft stärken, das Beistandsversprechen nicht erneut infrage zu stellen. leitartikel@swp.de ein Konzept für eine auf Jahre tragfähige Finanzierung der Pflegeversicherung vorzulegen. Wasesjetzt von der Bundesregierung gibt, ist eine ausführliche Beschreibung der Lage und möglicher Reformvarianten. Folgen? Keine. Zwar hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigt, nun doch schon nach der Sommerpause ein Konzept vorzulegen, wie weit das geht und ob es in der Ampel durchsetzbar ist, muss sich jedoch zeigen. Und eskann gut sein, dass im Herbst bereits einige Pflegekassen vor dem Ende stehen und kurzfristig gerettet werden müssen – mit Steuergeld, das man eigentlich nicht hat. Ohne ein durchdachtes Konzept, das auf kurze wie auf lange Sicht trägt, jedenfalls droht schon bald eine gewaltige Pflege-Katastrophe –für die Betroffenen, ihre Angehörigen, die Beschäftigten und alle Beitragszahler. Passtüberall ins Rohr,ist aber nicht überall zugelassen: 155-Millimeter Artelleriemunition. Foto:Philipp Schulze/dpa STICHWORT NETZSICHERHEIT Berlin. Es ist ein Manöver, das fliegerischesKönnenverlangt. Während der Luftbetankung nähern sich Kampfjet und Tankflugzeug bei einer Geschwindigkeit von über 500 Kilometern pro Stunde bis auf wenige Meter. Esist ein Manöver,bei dem technisch alles stimmen muss. Unddas ist selbst unter engen Verbündeten wie Frankreich und Deutschland nicht immer gegeben. Als Paris vor rund zehn Jahren deutsche Militärhilfe für den Einsatz in Mali erbat, fragte esauch nach Luftbetankung. Doch das Verteidigungsministerium musste antworten, „dass wir über kein System verfügen, das für französische Flugzeuge zertifiziert ist“. Betanken konntedie Bundeswehr ihre„Tornado“ und„Eurofighter“, nicht aberdie französischen„Mirage“ und „Rafale“. Hintergrund der Sorgenumdie Netzsicherheit ist, dass chinesische Firmen gesetzlich zu einer engen Zusammenarbeit mit dem Staatverpflichtet sind. Befürchtetwird, dass chinesische Hightech-Firmen auf Anweisung der Regierung Hintertüren einbauen, um etwa im Krisenfall ITund Telefonnetzezusabotieren. Beim Kernnetz geht es vereinfachtumdie zentralen 5G-Rechenzentren fürdie Datenübertragung. Sie gelten als besonderswichtig, weil dort viele Datenund Informationen verarbeitet werden. Hier sollen Komponenten vonUnternehmen wieHuaweiund ZTEbis 2026 entfernt werden. In einer zweiten Phase bisEnde2029 sollen dem Bericht zufolgedann chinesischeBauteile auch aus dem Managementsystem dessogenannten Zugangs- und Transportnetzesentfernt werden. Hierzu zählenzum Beispiel die Funkmasten. dpa Dass das Material des einen Nato-Partnersnicht zum Material des anderen passt, ist ein Problem, das das Bündnis schon lange beschäftigt. „Interoperabilität“ lautet das Ziel, das auch jetzt auf dem Gipfel inWashington beratenwird. Den „Grundbausteinfür multinationaleEinsätze“nennt es die Bundeswehr: „Interoperabilitätbedeutetdabei,dassTruppen, Prozesseund Technologien nahtlos zusammenwirken können.“ Gar nicht so einfach allerdings, wenn verschiedene Länder mit ihren jeweiligen Rüstungsfirmen, Ansprüchen undTraditionen zusammenkommen. Ganz nachoben auf die Dringlichkeitsliste hat das Thema der Ukraine-Krieg gesetzt.Die Nato- Staaten haben Milliarden ausgegeben, um dem von Russland angegriffenen Land mit Waffenund Luxusgut Heimplatz Berlin. Pflegeheimbewohner müssen immer mehr bezahlen: Nach Angaben des Verbandes der Ersatzkassen sind aktuell durchschnittlich 2871 Euro pro Monat im ersten Aufenthaltsjahr selbst zu entrichten, 211 Euro mehr als ein Jahr zuvor. Fürdas zweiteJahr stieg die monatliche Zuzahlung demnach um 233 Euro auf 2620 Euro. Im drittenJahr müssen 2284 Euro selbst gezahlt werden –169 Euro mehr alsimVorjahr,imvierten 1865 Euro und damit 91 Euro mehr. Hintergrund ist, dass die Bundesregierung veranlasst hat, dass die Zuzahlung je nach Aufenthaltsdauer von den Pflegekassen bezuschusst wird.Lautdem Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen hat das die Kassen im vergangenen Jahr 4,5Milliarden Euro gekostet. Die Betroffenen aber werden trotzdem immer stärkerbelastet. Dabeigibt es großeregionaleUnterschiede bei den Kosten fürdie rund790.000 Pflegebedürftigen in Heimen.ImJuli istein Heimplatz im ersten Aufenthaltsjahr in Nordrhein-Westfalen mit 3200 Euro pro Monat imSchnitt am teuersten –amniedrigsten ist die Eigenbeteiligung inSachsen-Anhalt mit 2373 Euro. Für Eugen Brysch, Vorstand derDeutschen Stiftung Patientenschutz, sind die „explodierenden Eigenanteile“ selbst für Menschen „unkalkulierbar, die Vorsorge treffen wollen undkönnen. Zukunftssicherheit und Generationengerechtigkeit sehen anders aus“. Fürden Arbeitgeberverband Pflege werden „Pflegeplätze zum Luxusgut“. Laut Präsident Thomas Greiner können die Zahlen aber niemanden überraschen. „Steigende Sachkosten sowie höherePflegelöhne treibendie Preise.“ Das Pflegepersonal verdiene eine gute Bezahlung. „Und es muss ihnen endlich ermöglicht werden, sich auf die Pflege von Menschen zu konzentrieren. Wenn Bürokraten sie mit unnötigem Papierkram beschäftigen, verschwenden wir ihrewertvolle Kompetenz und verbrennen Mobilfunk China-Bann kommt 2026 München. Im jahrelangen Streit um die Verbannung chinesischer Bauteile aus dem neuesten Mobilfunkstandard5Gzeichnet sich laut einem Medienbericht ein Endeab. Regierungsvertreter und Mobilfunkanbieter hätten sich „auf die Grundzügeeiner Lösung verständigt“, berichteten „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR. In einem ersten Schrittsoll demnach das Kernnetz 2026 von Komponenten chinesischer Hersteller befreit werden. dpa Stichwort Munition beizustehen. Dabei ist allerdings auch deutlich geworden, was sich alles nicht zusammenfügt. Allein die Ausbildung für die verschiedensten Systeme hat viel Zeit verschlungen. Harmonisierung schwierig Wie schwierig die Harmonisierung ist, lässt sich auch anhand der eigentlichengen Verflechtung von deutschem und niederländischen Heer zeigen. Gemeinsam liefern sie die Panzerhaubitze 2000 an die Ukraine. Selbst Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) war allerdings überrascht, dassesdie volle Interoperabilität auch hier nicht gibt. Im Heer erklären sie das so:Die Systeme seien über die Jahremit national unterschiedlichen Software-Systemen nachgerüstet worden. Zudem gebe esbei der Munition je nach Hersteller Abweichungen im Millimeter-Bereich,was dieelektronische Zielberechnung beeinflusse.Das wiederum bedeute, dass esfür das niederländische Geschoss keine Zulassung für den Übungsbetrieb in Deutschlandgebe, erläutert ein Artillerie-Experte. Das alles solle sich aber ändern; gemeinsame Beschaffung und gemeinsame Zertifizierung lautetdas Fernziel. Ganz praktisch gebe es im Übrigenkein Problem: „Die Geschosse passen alle ins Rohr“, soder Soldat. Im Ernstfall oder jetzt schon in derUkraine würden Abstriche in der Präzision in Kauf genommen. „Das funktioniert dann auch.“ Ellen Hasenkamp Pflege Jahr fürJahrmüssendie Bewohner mehr zahlen –dabei sollten die Kassen helfen,den drastischenAnstieg zu verhindern. Geld.“ Weniger Bürokratie,mehr Pflegeplätze –„so lässt sich der Kostenanstieg zumindest abmildern und die Versorgung unserer Alten sichern“. Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert nachhaltigeReformen. „Pflegebedürftige haben reale Existenzängste“, so Michaela Schröder,Geschäftsbereichsleiterin Gesundheit. Nur die „Finanzierungslücke der sozialen Pflegeversicherung zu stopfen, ist aber noch keine Reform.“ Pflegebedürftigkeit dürfe kein Armutsrisiko sein. Aber auch den Kassen selbst geht das Geld aus.Für dieses Jahr erwartet ihr Spitzenverband ein Defizit von 1,5 Milliarden Euro, für 2025 bereits 3,4 Milliarden. Die Pflegeversicherung übernimmt seit ihrer Einführung1995 nur Teilleistungen, für den Rest muss der Betroffene aufkommen –kann er das nicht, springt der Steuerzahler ein: Aktuell muss die Sozialhilfe bei jedem dritten Heimbewohner Kosten übernehmen. Hajo Zenker Afghanistan Pakistan vertagt Abschiebungen Islamabad. Pakistan will seine umstrittene Kampagne zur Abschiebung von Afghanen inden kommenden zwölfMonatennicht auf registrierte Flüchtlinge ausweiten. Das teilteein Regierungssprecher nacheinem Treffen von Premierminister Shehbaz Sharif mit dem Chef des UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, Filippo Grandi, mit. Afghanische Flüchtlinge mit legalen Papieren sollen demnachnoch bis einschließlich Juni 2025 in Pakistan bleiben dürfen. dpa
Donnerstag,11. Juli 2024 3 Interview „Nicht voreiner Regierung“ Martin Debes berichtete 24Jahre lang für die„Thüringische Allgemeine“ über seine ostdeutsche Heimatund schreibt seit 2024 für den „Stern“. Der Autor des Bestsellers„Deutschland der Extreme –wie Thüringen die Demokratie herausfordert“ erklärt, warumdie AfD in seinem Land so stark ist, welche besondere Rolle Björn Höckespielt –und warum die Gefahr vorerstnicht so groß ist, wie oftmals angenommen wird. Wasmacht Thüringen politisch zu so einem besonderen Bundesland? Martin Debes: Es ist das einzige Land miteiner Minderheitsregierung, einem linken Ministerpräsidenten und einer überproportional wirkmächtigen AfD. Bodo Ramelow,Björn Höckeoder Thomas Kemmerichsind nur Landespolitiker, aber bundesweit bekannt–wobeiübrigenskeiner aus Thüringen stammt. Seine Rolle istkleiner geworden:Björn HöckebeimBundesparteitag derAfD in derGrugahalle in Essen. Björn Höcke ist neben Parteichefin Alice Weidel das bekanntesteGesicht der AfD. Als Anführer des rechtsextremen Parteiflügels nimmt er seit vielen Jahren auch bundespolitisch Einfluss, besondersoffensichtlichauf dem Rechtsruck-Parteitag in Riesa vorzweiJahren. Doch seitdem hat sich die AfD verändert –und der Einfluss des Thüringer Landesschefs nimmt ab. Der Parteitag in Essen Ende Juni deutet eine Höcke-Dämmerung zumindest an. Er, der das Scheinwerferlicht so liebt, trat kaum in Erscheinung,war auffällig unauffällig. Als er sich dann mit Vervefür eine Kandidatin für das Schiedsgericht einsetzte, scheiterte diese kläglich. „Essen illustriert einen Bedeutungsverlust Höckes auf bundespolitischer Ebene, der bereits kurz nach Riesa eingesetzt hat“, sagt ein intimer Kenner der Partei aus der zweiten Reihe. „Die klassische Höcke-Choreografie – der große Kurfürst tritt auf die Bühne, was wird erwohl sagen? –interessiert niemanden mehr.“ Der AfD-Kenner führt Höckes Bedeutungsverlust zumeinen auf das Netzwerk umden Fraktionsvize Sebastian Münzenmaier zurück, das großenWertauf professionellesAuftreten undinnerparteilichen Konsens legt –und immer mächtiger wird. „Damit hat er ein Pendant bekommen, zu dem sich die Kräfte orientieren. Zum anderen sind die ostdeutschen Landesverbände unabhängiger von ihm geworden.“ Das Netzwerk,das Weidel nahe steht, greift über die Landesverbände nach der Macht. René Springer,Landeschef inBrandenburg, gehört genauso dazu wie DerWeg in die zweite Reihe Parteien VorzweiJahrendemütigte der ThüringerLandesvorsitzendeBjörn Höcke AfD-Chef Tino Chrupallaauf offenerBühne. Jetztmusserselbstumseine Bedeutung kämpfen. VonDominik Guggemos Welche Rollespielendie Verurteilungen? Björn Höcke istAnfang Juli erneut wegender Verwendung einer verbotenen Nazi-Parole schuldig gesprochen worden. DasLandgericht Halle verurteilte ihnzueiner Geldstrafe von130 Tagessätzen zu je 130 Euro.Schon im Maiwar Höckewegen desgleichenSpruchs zu einerGeldstrafeverurteiltworden, er ging in Revision. Wieblicktman in der AfDdarauf?„Icherlebe wenigMitleid,eher Kopfschütteln“, sagt einer, derdie Partei gut kennt.„Er wollte wieder malüberziehen, dasgeschiehtihm recht.“Doch zumindestlaut Stephan Brandnersieht mandas in Thüringen anders: „Ich sehe deutlich mehr Solidarisierung alsrollendeAugen.“ Foto:Berndvon Jutrczenka/dpa sein baden-württembergisches Pendant Markus Frohnmaier. Auch der Thüringer René Aust, der neue starke Mann in Brüssel, genießt die Unterstützung des Pfälzer StrippenziehersMünzenmaier.AndessenAufstieghat Höcke durch sein Verhalten in Riesa –erdemütigte AfD-Chef Tino Chrupalla auf offener Bühne, der Parteitag musste abgebrochen werden –entscheidenden Anteil. Noch in der Halle schwor sich das spätere Netzwerk: So geht es nicht weiter. Vergangenes Jahr auf demParteitag in MagdeburgließMünzenmaier dann zum ersten Mal die Muskeln spielen. Undnoch etwas war auffällig: Höcke, der immer eine Führungsrolle für die ostdeutschen Landesverbände beanspruchte, traf auf ähnlich selbstbewusste Landeschefs. Jörg Urban, Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Sachsen, suchte sogar den offenen Konflikt mit Höcke. Doch es sind nicht nur die Sachsen, die Höcke die Vorherrschaftüberden Osten streitig machen. Brandenburg stand wegen des Rechtsextremisten Andreas Kalbitz und dessen Anhängern fest an Höckes Seite –doch dann übernahm Springer. Auch derLandesverbandSachsen-Anhalt wird immer eigenständiger.Die Eskapaden des Höcke-Manns Hans-Thomas Tillschneider, der kurz vor dem Parteitag in Essen noch eine „Dienstreise“ in die russischeExklave Kaliningrad unternahm, um dort ein Zeichen fürdie deutschrussische Freundschaft und „gegen westliche Werte“ zusetzen, wirkenauf vieleFunktionärenur noch abstoßend. „Die Ost-Landeschefs sind gelassener geworden, die Westverbände selbstbewusster“,sagt Partei-Vize Stephan Brandner. „Die Dominanz des Ostens ist bei den Prozenten da“, sagt Brandner, „aber man weiß natürlich, dass die Mehrheit auch der potenziellen Wähler wegen der Größe der Bundesländer im Westen anzutreffen ist“. Das wissen auch die dortigen Landesfürstenund wollen sich von Höcke nicht (mehr) aufder Nase herumtanzenlassen. Selbst die straffe Führung seines Landesverbands fällt Höcke immerschwerer. Beider Kommunalwahl im Mai unterstützte Höcke auf Wahlplakaten eine Alternative zur offiziellen AfD-Liste, weil ihm die Kandidatennicht zugesagt haben. Bei der Landtagswahl mussdie AfD in zwei Wahlkreisen ohne Direktkandidaten antreten, weil Höckeseine Unterschrift verweigert hat. Der Bundestagsabgeordnete Klaus Stöber aus dem Wartburgkreis, wo die beiden Wahlkreise liegen, schäumt aufFacebook vor Wut: „Wer im Stil von Angela Merkel eine ordnungsgemäße Wahl rückgängigmacht,weilihm die gewählten Kandidaten nicht passen, der hat jede Bodenhaftung verloren und disqualifiziert sich nicht nur als Landesvorsitzender, sondern auch als möglicher Ministerpräsident!“ Trotz solcherDrohungendürfte Höcke auch dann, wenn die Landtagswahl keinen Erfolg bringen sollte, als Landeschef fest im Sattel sitzen. Aber mit Blick auf seine bundespolitischen Ambitionen stellt sich die Frage, wie viel Durchschlagskraft Höcke noch entwickeln kann. Der einflussreicherechtsextreme Verleger Götz Kubitschek, ein wichtiger Höcke- Verbündeter, bemüht sich dem Vernehmen nachbereits um eine intensivere Zusammenarbeit mit dem Münzenmaier-Netzwerk. Welche Rolle spielt in diesemZusammenhang der zugewanderte AfD-ChefBjörn Höcke? Seine Landespartei arbeitet besondersdestruktiv. Bekanntestes Beispiel dafür war die Wahl von FDP-Landeschef Kemmerich zum Ministerpräsidenten imFebruar 2020.Die AfD hatteeinen Scheinkandidaten aufgestellt, um den Landtag auszutricksen. Das war zwar legal, abereinetiefe Verachtung des Parlaments. Undwarum goutieren das die Wähler so stark wie in sonstkaum einem Bundesland? Thüringen ist klein, ländlich, ohne Ballungsräume,aber kulturgeschichtlich hochrelevant. Durch die DDR ist eine autoritäre Prägung da, nach 1990 erlebten die Menschen extreme, teils unverarbeitete Brüche, dazu zogen junge Menschen weg. Das ist der Martin Debes. Foto:Sascha Fromm Nährboden der AfD. Höcke bedient Identitätsgefühle,aberauch Minderwertigkeitskomplexe und Verlustängste. Das verfängt. Vor100 Jahren fand in Thüringen eine „Schicksalswahl“ statt, an derenEnde Rechtsextreme erstmals in der WeimarerRepublik zum Mehrheitsbeschafferwurden. Ziehen Sie da Parallelen zu den heutigen Vorgängen? 1929 kam essogar in Thüringen zur ersten Regierungsbeteiligung der NSDAP. Das sind tatsächlich lehrreiche Parallelen, aber keine Analogien. Eine Gleichsetzung wäre ahistorisch. Zu heute:Noch steht dieAfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg nicht vor einer Regierungsbeteiligung. Die CDU hat das BSW als neue Koalitionsoption und will im Jahr vor der Bundestagswahl die sogenannte Brandmauer beachten. Doch falls die AfD stark bleibt, wirdabder Landtagswahl 2026 in Sachsen-Anhalt neu gerechnet. Dominik Guggemos ZAHL DES TAGES 40 Prozent seinesÖlbedarfsdeckt Indien mittlerweile mit Lieferungen aus Russland.2023waren es russischen Angaben zufolge90MillionenTonnen, gegenüber 2022 haben sich die Lieferungen nahezu verdoppelt. Indien ist damit zum größtenAbnehmervon russischemÖlaufgestiegen. Hintergrund istder aufgrund westlicher Sanktionenniedrige Preis. dpa Wehrpflicht Forscher warnen vorMilliardenlast München. Das Ifo-Institut warnt für den Fall einer Wiedereinführung derWehrpflichtvor immensenvolkswirtschaftlichen Kosten. Je nach Szenario würde der Schrittdie deutsche Wirtschaftsleistung um 3bis 70 Milliarden Euro drücken –jenachdem, wie viele Männer einberufen werden. „Als Alternative zur Wehrpflicht wäre es sinnvoller, die Bundeswehr mit mehr Mittelnauszustatten, um sie als Arbeitgeber attraktiverzumachen“,sagte Ifo-Experte Panu Poutvaara. dpa Lagersollschneller geräumtwerden Angesichts des ungeklärten Verbleibsvon SalzwasserimAtommülllager Asse in Niedersachsensetzt sich Bundesumweltministerin Steffi Lemkefür eine beschleunigteBergungder radioaktiven Abfälleein. Foto:JulianStratenschulte/dpa Gaza-Krieg Israel noch weit vomZiel entfernt TelAviv. Israels Armee hat nach Angaben von Verteidigungsminister Joav Galant 60 Prozentder Hamas-Terroristen getötet oder verwundet. Die meisten der Bataillone der Islamistenorganisation seien zerschlagen worden, sagte Galant im Parlament. Nach dem Massakeram7.Oktober,das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Organisationenverübt hatten,hatte Israel die vollständige Zerstörung der Hamas als Kriegsziel im Gazastreifen angekündigt. dpa Ukraine Linker darfnicht einreisen Berlin. Der Linken-BundestagsabgeordneteSören Pellmannist am BahnhofLwiwander Weiterfahrt in dieUkraine gehindert worden. Ukrainische Beamte hätten ihn nach Polen „abgeschoben“ –ohne Gründe zu nennen, teilte der 47-Jährigemit:„Anscheinend gibt es eineListevon Personen des öffentlichen Lebens, die sich kritisch positionierthaben undnicht mehr in die Ukraine einreisen dürfen“, sagtePellmann, der sich wiederholt gegenWaffenlieferungen ausgesprochen hat. dpa
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